Ein Formula Student Team leiten und dann auch noch die Rennschmiede Pforzheim?!


Rennschmiede Pforzheim e.V. – so lautet der komplette Name unserer motorsportgetriebenen Initiative inklusive der Eintragung ins Vereinsregister. Doch damit sind auch gewisse rechtliche Bedingungen verbunden, die zu erfüllen sind: So muss ein Verein einen oder mehrere, von der Mitgliederversammlung gewählte Vorstände, vorweisen können. Doch wie ist es, das leitende Organ der Rennschmiede zu sein und welche Aufgaben muss man sich hier stellen? Hierfür stand Marco Kamenzin, ehemaliger 1. Vorstand in der Saison 2018/2019, Rede und Antwort.

Wie lange warst Du als Vorstand tätig und welche Aufgaben hattest Du in dieser Zeit?

Ich war von Juni 2018 bis Juni 2019 als Vorstand aktiv. Wobei es sich offiziell wegen der Eventteilnahmen bei FS East und FS Germany bis Oktober gezogen hat. Meine Hauptaufgaben waren so ziemlich alles rund um die Organisation im Verein. Ich war die ersten zwei bis drei Monate Kassenwart und habe dieses Amt zusätzlich mitgeführt. Zudem habe ich die Gesamtteam- und Teamleitermeetings vor- sowie nachbereitet und geleitet.
Als 1. Vorstand war ich darüber hinaus für die Projektleitung zuständig: Also alle Organisationsaufgaben wie beispielsweise unseren Kalender, unseren Sponsorenabend, unser Rollout oder anderweitige Teamevents. Diese habe ich teilweise initiiert, geplant, organisiert und natürlich durchgeführt. Für die Organisations-Dokumentation in unserem Wiki war ich ebenso zuständig. Das Wiki hilft uns dabei Informationen und teaminterne Daten zu dokumentieren und zu bearbeiten. Zudem war mir eine enge Verbindung zu den Teamleitern stets wichtig.

Ich habe mich regelmäßig erkundigt, ob es Schwierigkeiten, Probleme oder Kritik gibt. So habe ich meine Hilfe angeboten und es gab durchaus Zeiten, in denen diese gerne angenommen wurde. Diese Bindung ist für ein funktionierendes Team extrem wichtig. Ganz allgemein habe ich mich darum gekümmert, dass alles läuft: Natürlich auch bei den technischen Teams. Es ging immer darum, dass unser Gesamtziel erreicht wird – einen Rennwagen zu bauen.

Wie war es für Dich ganz persönlich Vorstand gewesen zu sein? Kannst Du uns von Deinen Erfahrungen berichten?

Es war eine sehr anstrengende und herausfordernde Zeit. Ich habe viel über mich gelernt. Es erfüllt mich mit großer Bestätigung, wenn ich heute „Emerald“ im Keller bei uns stehen sehe [schaut zufrieden in Richtung unseres Rennwagens der Saison 18/19]. Auch die ganzen Sticker der technischen Abnahmen und die Erfolge, die wir damit einfahren konnten. Es erfüllt mich mit sehr viel Stolz so ein tolles Team gehabt zu haben. Es war toll sich immer wieder von den Emotionen und der Motivation im Team mitreißen zu lassen. Was ich dabei gelernt habe war wie ich mit verschieden Menschen kommunizieren sollte: Zum Beispiel mit den Vorgesetzten der Hochschule, wie dem Rektorat, Hausmeistern oder der Pressestelle, sowie Umgang mit quasi Untergebenen. Oder wie nennt man das höflich?
Delegierte… [lacht].

Ich habe festgestellt, dass Gestalter anders denken als Techniker – die denken vor allem sachlich und arbeiten sehr geradlinig. Ein Gestalter denkt da beispielsweise freier. Die wichtigste Erkenntnis dieses einen Jahres war aber sicherlich, dass die Führungsposition eigentlich eine dienende Position ist. Man bietet so gut wie möglich jedem Teamleiter, jedem Sub-Team und jedem einzelnen Teammitglied seine Hilfe an und arbeitet für den gesamten Verein auf ein großes Ziel hin: Erfolgreich an den Events der Formula Student teilzunehmen.

Die wichtigste Erkenntnis dieses einen Jahres war aber sicherlich, dass die Führungsposition eigentlich eine dienende Position ist.

Was konntest Du in der Zeit in der Rennschmiede verändern, bzw. etablieren oder auch umsetzen?

Was mich in der Anfangszeit erstaunt hat, war, dass es uns seit mittlerweile zehn Jahren gibt, aber in unserem Wiki für Vorstände kaum etwas hinterlegt war. Herangehensweisen oder Tipps von Vorstand zu Vorstand, beziehungsweise Erfahrungswerte, habe ich gänzlich vermisst. Darum habe ich angefangen diese Informationen ins Wiki zu schreiben für meine Nachfolger. Ich habe auch im HR-Bereich viel dokumentiert, Prozesse angelegt und definiert. Jede Saison beginnt damit Ordnung zu schaffen. Sei es auf dem Server, in der Garage oder im Conti.

Rückblickend auf die letzte Saison – was waren Deine ganz persönlichen Highlights?

Ein Höhepunkt war definitiv die Enthüllung von Emerald am Rollout. Als alle sich gestreckt haben, die Handys gezückt wurden und das Blitzlichtgewitter losging. Das war der Moment, an dem ich gedacht habe „Geil du bist ein Teil davon! Du hast da auch mitgewirkt.“.Es ist einfach etwas ganz Besonderes ein kleiner Teil von so etwas Großem zu sein. Der nächste ganz große Moment war dann in Hockenheim als wir durchgefahren sind und danach das lange Zittern und Bangen, als wir nicht wussten, ob wir beim Rescrutineering durchgekommen sind. Da war ganz besonders, als ein Teil des Teams aus dem Zelt rausgelaufen ist. Ich stand zu diesem Zeitpunkt mit einigen Mitgliedern etwas abseits und bekam nur vom heutigen 2. Vorstand den Daumen nach oben gezeigt. Das war diese eine Sekunde, in der ich es kaum glauben konnte und dachte „Nein ernsthaft? Boah, … wir sind durchgefahren! Es zählt!“

Es ist einfach etwas ganz Besonderes ein kleiner Teil von so etwas Großem zu sein.

Das waren sicherlich tolle Momente, die Dir lange in Erinnerung bleiben werden. Gab es hingegen auch Dinge, die nicht so gut liefen oder die Du heute anders angehen würdest?

Ja, wir haben uns ambitionierte Ziele gesetzt: Zum Beispiel dass das Auto nach 10 Jahren zum Rollout endlich mal fahrfertig präsentiert wird. Das haben wir leider nicht geschafft. Es hat sich immer weiter rausgezogen. Aber im Großen und Ganzen lief es gut. Alles in allem war es ein würdiger Ausklang für den Verbrenner.

Wie ist es kein Vorstand mehr zu sein und könntest Du Dir vorstellen nochmal Vorstand zu machen?

Es ist sehr befreiend. Man hat sich im Hinterkopf immer wieder Gedanken gemacht und auch in der Freizeit oder in Vorlesungen versucht kurz per WhatsApp Dinge zu regeln. Daher konnte man nie richtig abschalten. Jetzt habe ich wieder viel Freizeit: Kann Serien schauen, Bücher lesen und viel mehr mit Freunden unternehmen. Es ist befreiend jetzt entlastet zu sein. Ich muss ehrlich sagen, dass mir das eine Jahr völlig gereicht hat. [lacht] Es hat mich absolut an meine Grenzen gebracht. Ich würde es kein zweites Mal machen, aber ich würde es jedes Mal wieder einmal im Leben machen. Es war einfach eine sehr besondere und prägende Erfahrung!

Autor: Frank Werner